Der angepasste Herbstbooster kommt und wird allen ab 12 Jahren empfohlen (in Österreich)

Der angepasste Herbstbooster kommt und wird allen ab 12 Jahren empfohlen (in Österreich)

Substack-Artikel vom 01.09.2023:

:: Das Nationale Impfgremium hat eine klare Empfehlung ausgesprochen :: Auslieferung des Impfstoffes bereits ab nächster Woche :: Als Extra: Eine Studie über die Wirkdauer der Impfungen


Die Empfehlung des Nationalen Impfgremiums

Am 30.August hat die europäische Arzneimittelkommission EMA ihre Empfehlung an die nationalen Behörden veröffentlicht, die upgedateten, an XBB.1.5 angepassten Impfstoffe - vorerst Comirnaty von Pfizer/BioNTech - zu bewilligen. Das SARSCoV2-Virus hat seine Fähigkeit, der vom menschlichen Körper aufgebauten Immunabwehr zu entkommen, hinlänglich bewiesen. Mit dem ersten Auftauchen von Omikron nahm der durch die ursprünglichen Impfungen aufgebaute Impfschutz vor Ansteckungen deutlich ab. Letzten Herbst hatten wir einen bivalenten Impfstoff, der jeweils zur Hälfte aus dem ursprünglichen Impfstoff und aus einem an die Omikron-Varianten BA.4/5 angepassten bestand. Im Nachhinein zeigte sich, dass ein monovalenter Impfstoff, der nur aus dem BA.4/5-Anteil bestanden hätte, wohl besser gewirkt hätte.

Nun also entwickelten die Hersteller einen an die aus dem ursprünglichen Omikron hervorgegangenen XBB-Varianten angepassten, monovalenten Impfstoff, der laut den virologischen Tests die derzeit dominierenden Varianten gut abdecken sollte.

Das österreichische Nationale Impfgremium (NIG) brauchte keine zwei Tage, um die EMA-Empfehlung in die Tat umzusetzen. Wie einer Presseaussendung des Gesundheitsministeriums zu entnehmen ist, schaut die Impfempfehlung wie erhofft und erwartet aus. Dem Beispiel der Grippeimpfung folgend wird der COVID-Booster allen ab 12 Jahren empfohlen, besonders allen Risikopersonen, den über 60-Jährigen und dem Gesundheitspersonal.

Ich mag die Formulierung. (Fast) alle sollen die Impfung kriegen, manche ganz besonders. Das entspricht fast 1:1 der bereits so formulierten Empfehlung bei der Influenza-Impfung. Alles andere wäre unlogisch und enttäuschend gewesen.

Hier die wichtigste Passage im Wortlaut:

Der entsprechende Fachausschuss der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) hat der EU-Kommission am Mittwochabend die Zulassung des an die XBB.1.5 Varianten angepassten Impfstoffs (Corminaty von BioNTech/Pfizer) empfohlen. Heute werden die Informationen zur Zulassung durch die Europäische Kommission erwartet.

Die Empfehlung des ECDC hat das Nationale Impfgremium nun auch in seiner Neufassung des Impfplans berücksichtigt. Auch die österreichischen Expert:innen empfehlen für den Herbst grundsätzlich Personen ab 12 Jahren eine Impfung mit den neuen Corona-Variantenimpfstoffen. Besonders empfohlen wird die Impfung Personen ab dem Alter von 60 Jahren, mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf sowie medizinischem Gesundheitspersonal. Auf individuellen Wunsch ist die Impfung weiterhin bereits ab dem vollendeten 6. Lebensmonat möglich.

Zu einer Empfehlung für Kinder unter 12 konnte man sich also (noch) nicht durchringen. Aber immerhin wird davon auch nicht abgeraten. Klingt nach Diskussionen im Gremium.

Die zweite wichtige Info in der Aussendung: Der Impfstoff wird aller Voraussicht nach bereits vor Mitte September verfügbar sein.

Die erste Lieferung der neu zugelassenen Variantenimpfstoffe in Österreich wurde für kommende Woche angekündigt. Sie werden anschließend an die jeweiligen Bundesländer ausgeliefert. Impfungen sind bei zahlreichen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten verfügbar, teilweise auch bei öffentlichen Impfstellen von Städten und Gemeinden.

Auch ungeimpften Personen, die sich jetzt impfen lassen wollen, wird übrigens nur mehr eine Impfdosis empfohlen. Das NIG geht wohl zurecht davon aus, dass es so gut wie niemanden mehr gibt, der oder die weder geimpft ist, noch eine Infektion hinter sich hat. Komischerweise wurde dieser Nebenaspekt zur Schlagzeile der Pressemitteilung gemacht. Kommunikation können sie im Gesundheitsministerium.

Anmerkung: Das RKI in Deutschland lässt sich anscheinend noch etwas Zeit. Zumindest habe ich noch keine neue Empfehlung gefunden. Hier erwarte / befürchte ich, dass die zuletzt empfohlene Strategie fortgeführt wird: Impfung nur mehr für Risikopersonen. So als gäbe es keine Daten zum Risikoreduktion von Long Covid durch die Impfungen.

Vor all diesen Nachrichten geht fast unter, dass so nebenbei auch erstmals ein Impfstoff gegen das bei älteren Menschen recht gefährlichen RSV verfügbar sein wird. Er wird Erwachsenen über 60 empfohlen.


Preprint: SARS-CoV-2-Antikörper-Titer nehmen nach Impfungen zunächst zwar rasch ab, stabilisieren sich dann aber und erzeugen eine lang anhaltende Immunität

Preprints sind Studienartikel, die von den Autor:innen direkt vorveröffentlicht werden, bevor sie den in der Wissenschaft üblichen Reviewprozess durchlaufen sind, in dem Fachkolleg:innen den Wert der Studie bewerten und auf etwaige fachliche Fehler kontrollieren. Deshalb scheue ich mich meist, Preprints zu präsentieren.

Wenn so ein Preprint allerdings von Florian Krammer kommt, dann habe ich keine Bedenken. Er ist einer der weltweit wichtigsten Impfforscher, er wurde in Österreich durch seine unprätentiöse Art, die COVID-Impfungen zu erklären, einem breiten Publikum bekannt.

In der besagten Studie präsentieren er und die Kolleg:innen seiner Arbeitsgruppe am Mount Sinai in New York die Ergebnisse einer drei Jahre lang laufenden Studie über die Dauer des Impfschutzes der mRNA-Impfungen, also die Impfstoffe von Pfizer/BioNTech und Moderna. Es hat sich ja allgemein der Glaube durchgesetzt, dass sie Wirkung der Impfungen rasch verschwinde. In ihrer Studie zeigen Krammer et al., dass das so nicht stimmt.

Sie zeigen bei den Antikörpertitern, dass es zwar in den ersten rund 6 Monaten nach der Immunisierung zu einem deutlich Abfall kommt, sich der Titer dann aber stabilisiert. In der folgenden Grafik sind die Titer der neutralisierenden Antikörper bei Probanden nach der Grundimmunisierung mit zwei Stichen. Blau sind jene ohne Infektion vor der Impfung, orange jene, die bereits an COVID-19 erkrankt gewesen waren (= Hybridimmunität). Bei beiden kommt es zunächst zu einem Abfall des Titers auf etwa ein Viertel, gefolgt von einer stabilen Phase für mindestens 400 Tage. (Achtung: Die Titer sind in einer logarithmischen Skala.)

A: Unabhängige Modellvorhersagen für die longitudinalen Antikörperspiegel nach der Impfung bei 359 Teilnehmern mit (orange gestrichelte Linie, 126 Teilnehmer, 850 Proben) und ohne (blau gestrichelte Linie, 233 Teilnehmer, 1.443 Proben) SARS-CoV-2-Infektion vor der Primärimmunisierung erstellt. Das gleitende geometrische 49-Tage-Mittel für jede Gruppe ist als durchgezogene Linie dargestellt.

Man würde auf den ersten Blick vermuten, dass die Hybridimmuntät einen deutlichen höheren Titer und also einen besseren Schutz bietet. Das ist aber nur relativ. Der Antikörpertiter nach dem dritten Stich (blau) ist praktisch deckungsgleich mit dem bei 2 Stichen plus Infektion (orange). Es geht also beim Antikörpertiter um die Zahl der Kontakte mit dem Spike-Antigen, nicht um die Infektion an sich.

B: Dasselbe Modell auf die longitudinalen Antikörperspiegel nach der Impfung von 223 Teilnehmern angewandt (80 Teilnehmer mit hybrider Immunität, 482 Proben; 143 Teilnehmer, die nur geimpft wurden, 844 Proben). Das gleitende geometrische 49-Tage-Mittel für jede Gruppe ist als durchgezogene Linie dargestellt.

Entsprechend wurden bei den Probanden vor Omikron fast keine Durchbruchinfektionen verzeichnet, also Infektionen trotz Impfung:

Mit dem Auftauchen der vom ursprünglichen Virus bereits sehr weit entfernten Omikron-Varianten änderte sich dies deutlich. Letztlich blieben nur knapp 20% der zuvor nicht infizierten ohne Durchbruchinfektion, bei den Personen mit Hybridimmunität zeigte sich hier doch ein Unterschied. Immerhin knapp 40% kamen ohne eine (neuerliche) Infektion durch. Eine in dieser Studie nicht untersuchte Begründung wäre möglicherweise die nach Infektion viel bessere Immunität direkt an der Nasenschleimhaut, also der Eintrittspforte für das Virus.

https://nitter.cz/pic/https%3A%2F%2Fpbs.twimg.com%2Fmedia%2FF4pHfWJWgAEgUqW.png

Für alle, die sich die Studie etwas genauer erklären lassen möchten, hat das Florian Krammer persönlich auf der Plattform, die mal Twitter war, gemacht. Hier kompakt und frei von X-Trackern bei der Threadreaderapp.

Das wichtigste: Die mRNA-Impfungen erzeugen eine lang anhaltende Immunität durch die Antikörper. Durchbruchinfektionen treten in erster Linie durch die Immunflucht neuer Virusvarianten auf.

Durch die neuen XBB.1.5-Impfstoffe sollte dieses Problem zumindest für die derzeit dominierenden Varianten entschärft werden.

Bis halt die nächsten Varianten kommen. (Was kann BA.2.86?)