Die Sache mit Antigentests bei Omikron / Impfungen bei Long Covid

Die Sache mit Antigentests bei Omikron / Impfungen bei Long Covid

Substack-Artikel vom 01.10.2023:

:: Antigenschnelltests sind bei Omikron anfangs häufig falsch negativ :: LongCovid-Kranke profitieren von der Impfung :: SARS-CoV-2 und die Herzkranzgefäße ::


Antigenschnelltests sind bei Omikron anfangs häufig falsch negativ

Viele kennen die folgende oder ähnliche Grafiken aus den ersten 1-2 Jahren der Pandemie. Bereits Tage vor Symptombeginn konnte das Virus mittels PCR-Test nachgewiesen werden (die präsymptomatische Phase) und auch die Antigentests waren meist schon knapp vor Symptombeginn positiv, jedenfalls aber dann, wenn die Symptome gerade erst begonnen haben - mit anderen Worten: Dann wenn man sich üblicherweise testet und man am ansteckendsten ist. Vergesst diese Grafik! Sie traf bei den früheren Varianten und in einer noch nicht immunisierten Bevölkerung zu, nicht aber bei Omikron und deutlich über 90% der Bevölkerung, die geimpft sind und/oder bereits an COVID-19 erkrankt waren.

Die Grafik war sehr nützlich, ist aber leider nicht mehr aktuell.

Vor wenigen Tagen erschien ein Artikel einer Forschergruppe aus Georgia, die den zeitlichen Verlauf des SARS-CoV-2-Virusloads bei großteils vorimmunisierten Personen mit Infektion durch eine der Omikron-Varianten von April 2022 bis April 2023 untersuchten (“The New Normal: Delayed Peak SARS-CoV-2 Viral Loads Relative to Symptom Onset and Implications for COVID-19 Testing Programs”). Der Virusload wurde anhand der Ct-Werte der PCR sowie auch durch eine direkte quantitative Messung des Virus-Antigens untersucht. (Zur Erinnerung: Der Ct-Wert ist die Zahl der PCR-Zyklen bis ein positives Signal auftaucht. Umso niedriger der Ct-Wert umso mehr Virus-RNA ist in der Probe vorhanden und also umso mehr Viren.)

Hier zeigte sich, dass der niedrigste Ct-Wert und die höchste Antigenkonzentration erst vier bis fünf Tage nach dem Symptombeginn erreicht wird.

Daraus errechneten sie, dass am ersten symptomatischen Tag nur 30-60% der Antigen-Schnelltests (je nach Testqualität) und am vierten Tag 80-93,3% ein positives Ergebnis liefern würden. Das sind Kalkulationen anhand der gemessenen Antigenkonzentration, die Zahl der falsch-negativen Resultate der Schnelltests selbst wurde in dieser Studie nicht überprüft. Zumindest für mich als Nicht-Labormediziner scheint die Korrelation aber nachvollziehbar.

Das Ergebnis hat praktische Auswirkungen auf die Anwendung der Antigen-Schnelltests:

  • Ein negativer Test mit Beginn der Symptomatik hat wenig Aussagekraft.
  • Im Falle negativer Testresultate empfiehlt es sich, den Test am Tag 3 und am Tag 5 zu wiederholen.
  • Das ist nicht neu: Wer krank ist, sollte zuhause bleiben. Auch wenn der Test negativ ist.

LongCovid-Kranke profitieren (meist) von der Impfung

Sollen sich an Long Covid erkrankte Personen gegen SARS-CoV-2 impfen lassen? Anekdotisch geben manche Betroffene eine Symptombesserung nach der Impfung an, andere verspüren eine Verschlechterung der Symptomatik. Empfehlungen pro Impfung stützen sich vor allem auf das reduzierte Risiko einer Infektion bzw. im Falle einer COVID-19-Reinfektion auf einen leichteren Verlauf.

Mitte September erschien eine kanadische Studie (“Vaccination after developing long COVID: impact on clinical presentation, viral persistence and immune responses”), in der prospektiv bei 83 Personen mit Long Covid geschaut wurde, ob und wie sich die Symptome und das Wohlbefinden nach der Impfung verändern. Weiters wurden eine Reihe von immunologischen Markern sowie SARS-CoV-2-Antigen im Blut im Verlauf beobachtet.

Personen mit 1 oder 2 Impfungen gaben signifikant weniger Long Covid-Symptome und mehr Wohlbefinden als vor den Impfungen an.

Dem entsprachen Laborergebnisse, auf die ich hier nicht im Detail eingehe. Zahlreiche immunologische Marker verbesserten sich nach der Impfung jedenfalls signifikant. Virusbestandteile im Blut veränderten sich nach der Impfung kaum, weshalb die Autoren von einer durch die Impfung nicht beeinflussten Viruspersistenz bei den Long Covid-Kranken ausgehen.

Zusammengefasst bietet die Studie Hinweise dafür, dass bei Long Covid-Kranken durch die Impfung die systemische Inflammation verringert und damit die Symptomatik zumindest für eine gewisse Zeit verbessert werden kann.


SARS-CoV-2 kann die Herzkranzgefäße befallen und das Risiko für einen Herzinfarkt erhöhen

Dass COVID-19 zu zahlreichen Folgen für das Herz führen kann wurde schon früh in der Pandemie klar. Eric Topol berichtete darüber bereits im September 2020 in einem Übersichtsartikel in Science (“COVID-19 can affect the heart”).

Drei Jahre alte und noch immer gültige Grafik aus dem Artikel von Eric Topol.

Später erschienen epidemiologische Studien, die über ein eineinhalb bis zweimal erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und andere kardiovaskuläre Erkrankungen in den Monaten nach einer an sich überstandenen COVID-19-Erkrankung berichteten (z.B. hier und hier).

Nun erschien im Nature eine Arbeit einer Forschungsgruppe aus New York (“SARS-CoV-2 infection triggers pro-atherogenic inflammatory responses in human coronary vessels”). Sie wiesen nach, dass das Virus die Herzkranzgefäße direkt infizieren kann, wobei insbesondere die Cholesterinplaques befallen werden, die hauptverantwortlich für Gefäßverschlüsse sind, die einen Herzinfarkt auslösen können. Der Befall dieser Plaques heizt die Entzündungsreaktion an, was die Gefahr eines Verschlusses erhöht. Eine schöne, gut verständliche Zusammenfassung der Studie erschien im Spektrum (“Wie Covid-19 das Infarktrisiko erhöht”).

COVID-19 ist eben mehr als eine Atemwegserkrankung. Sie ist eine Multiorganerkrankung.