Hurra! Wir leben noch! Trotz Impfung!

Eine französische Studie bekräftigt das längst Bekannte: Die Impfungen erhöhen nicht das Risiko zu sterben. Im Gegenteil.

Hurra! Wir leben noch! Trotz Impfung!
  • Die Studie verglich bei der gesamten Bevölkerung Frankreichs im Alter von 18 bis 59, wie viele der Geimpften innerhalb von 4 Jahren im Vergleich zu den Ungeimpften starben.
  • Heraus kam ein um 25% geringeres Sterberisiko bei den Geimpften.
  • Dass der Nutzen dermaßen groß ist, erscheint zweifelhaft. Vermutlich gab es einen nicht erkannten statistischen Störfaktor.
  • Aber das über alle Untergruppen konsistente Ergebnis macht einen kausalen Zusammenhang der Impfungen mit einer erhöhten Sterblichkeit äußerst unwahrscheinlich.

Wir erinnern uns noch daran: Bis September 2021 würden fast alle gegen COVID geimpften Personen sterben. Das verbreitete der Schlagersänger Michael Wendler im August 2021 auf Telegram.

Er war bei weitem nicht der Einzige, der diese Behauptung teilte. Keiner von ihnen schien sich nicht daran zu stören, dass „Dr. Coldwell“ in Wirklichkeit Bernd Klein heißt und kein Doktor ist, sondern ein Hochstapler und Verschwörungstheoretiker mit Nähe zu den Reichsbürgern (Wikipedia). Als die meisten von uns auch nach dem September 2021 am Leben waren, änderte Wendler – und andere mit ihm – seine Behauptung zu: „!!JEDER COVID-19 GEIMPFTE WIRD INNERHALB VON 24 MONATEN STERBEN!!“ (Zeichensetzung und Verwendung von Großbuchstaben im Original). Auch diese 24 Monate sind inzwischen längst vergangen.

Andere verbreiten ihre Ansichten zur Gefährlichkeit der Impfungen nicht ganz so plump wie Schlagersänger Wendler. Besonders beliebt ist die Behauptung, die Übersterblichkeit im 2021 wäre auf das Ausrollen der Impfungen zurückzuführen. Dabei war 2021 auch das Jahr der größten Zahl an COVID-Toten, anfangs bei einer noch immer großteils ungeimpften Bevölkerung, im Herbst dann durch die Delta-Variante, die schwerere Verläufe verursachte als alle Varianten vorher und nachher.

Exemplarisch ist diese miserable Publikation, die es 2024 bis in eines der BMJ-Journals gebracht hat:

Übersterblichkeit wegen COVID-Impfungen? Wirklich?
Miserable Wissenschaft führt zur falschen Behauptung, die Impfungen wären Schuld an der Übersterblichkeit in der Pandemie.

Ein anderes Beispiel ist ein Artikel des Psychologen Christof Kuhbandner und des Mathematikers Matthias Reitzner zur Übersterblichkeit in Deutschland. Der Artikel erschien in einem Journal, das inzwischen aufAddendumgrund zahlreicher fachlich unhaltbarer Artikel aus der u. a. für die Berechnung des Impact Factors eines Journals verantwortlichen Publikationsdatenbank Web of Science entfernt wurde. Statistiker kritisierten die Methodik, Kuhbandners Universität distanzierte sich von der Arbeit. Dennoch wird sie noch immer als Beleg für die Gefährlichkeit der Impfungen herangezogen. Martin Rücker beleuchtete all das in seinem Blog:

Corona-Impfung & Übersterblichkeit: Was hinter der Debatte steckt
Die COVID-19-Impfstoffe haben mitunter zu schweren Nebenwirkungen geführt, aber sind sie verantwortlich für die zeitweise überraschend hohen Sterberaten? Keine seriösen Hinweise stützen diese These – dennoch bleibt sie in der öffentlichen Diskussion. Eine Analyse.

Dabei gäbe es genügend Untersuchungen darüber, dass die Impfungen Todesfälle verhindert haben. Zum Beispiel eine große, im Lancet erschienene Studie, der zufolge die Impfungen alleine in den 34 untersuchten Ländern der WHO Europaregion bis zum Frühling 2023 1,6 Millionen Leben gerettet hatten („Estimated number of lives directly saved by COVID-19 vaccination programmes in the WHO European Region from December, 2020, to March, 2023: a retrospective surveillance study“).

Die Zahl der geretteten Leben ist eine Berechnung anhand von komplexen statistischen Modellierungen. Nun erschien eine Studie, in der die Sterblichkeit von Geimpften und Ungeimpften direkt und über einen längeren ZAddendumeitraum verglichen wurde.


COVID-Impfung und Sterblichkeit in Frankreich

Für diese Studie hoben Wissenschaftler*innen der Nationalen Behörde für Arzneimittelsicherheit Frankreichs und der Universität Paris-Saclay aus der zentralen französischen Gesundheitsdatenbank die anonymisierten Daten aller 2021 in Frankreich lebenden Personen im Alter von 18 bis 59 Jahren aus. Es ging nicht um ältere Menschen, die aufgrund ihres höheren Risikos für einen schweren COVID-Verlauf von den Impfungen besonders profitieren. Es ging um die Masse der Personen mit einem mäßigen Risiko einer schweren Infektion. Insgesamt kamen so Daten von 22,7 Millionen mit einem mRNA-dieImpfstoff gegen COVID geimpften und 5,9 Millionen ungeimpften Personen zusammen. Die Wissenschaftler*innen verglichen die Zahl der Todesfälle an COVID-19 sowie die Zahl der Todesfälle jeglicher Ursache über einen Beobachtungszeitraum von vier Jahren ("COVID-19 mRNA Vaccination and 4-Year All-Cause Mortality Among Adults Aged 18 to 59 Years in France").

In absoluten Zahlen traten 98.429 (0,4 %) Todesfälle in der Gruppe und Geimpften und 32.662 (0,6 %) Todesfälle Gruppe der Ungeimpften auf. Nach Korrektur für andere Risikofaktoren war das Sterberisiko bei den Geimpften um 25 % niedriger als bei den Ungeimpften (Hazard Ratio 0,75). In der folgenden Tabelle ist zu sehen, dass dieser relative Überlebensvorteil in allen Altersgruppen, geografischen Regionen (bis auf Korsika), sozioökonomischem Status etc. in einem mehr oder weniger ähnlichen Ausmaß zu sehen ist. Die korrigierte Hazard Ratio (wHR) liegt in fast allen Gruppen zwischen 0,7 und 0,8, was einem um 20 bis 30 % niedrigeren Todesrisiko über den Verlauf der vier Jahre entspricht.

Wie kommt diese geringere Sterblichkeit der Geimpften zustande? Dass die Geimpften ein um 74% geringeres Risiko hatten, an COVID-19 zu versterben, kommt für niemanden außer Coronaleugner überraschend. Aber auch alle anderen Todesursachen traten bei den Geimpften seltener auf: Tod durch andere Infektionen, durch Herz-Kreislauf-Krankheiten oder doch Krebs. Aber auch Todesfälle durch Verkehrsunfälle oder tödliche Stürze. (Mehr dazu später.)

All die bisherigen Analysen bezogen sich auf den Zeitraum von 4 Jahren nach der Impfung. Aber angeblich sollen die Impfungen ja direkt nach der Gabe am gefährlichsten sein. In einer separaten Analyse schauten sich die Forscher*innen also die Zahl der Todesfälle in den ersten sechs Monaten nach einer Impfung an. Hier traten nach der ersten Impfung 35% weniger Todesfälle auf alAddendums bei den Ungeimpften, nach den weiteren Impfungen jeweils 20 bis 30% weniger. Auch hier starben die Geimpften signifikant seltener an Tumoren, Kreislauferkrankungen und auch an den „externen Todesursachen“ wie Unfällen.


Die Studie im Kontext

Die Studie besticht durch die enorme Menge an Daten von allen in Frankreich lebenden Personen von 18 bis 59 Jahren, also einer Altersgruppe, bei der ein tödlicher Verlauf von COVID-19 relativ seltener auftrat als bei den über 60-Jährigen. Das Resultat zeigt eindrücklich, dass die Impfungen nicht zu einer höheren Sterblichkeit geführt haben. Ganz im Gegenteil: Die Geimpften hatten ein hochsignifikant geringeres Risiko zu sterben.

Allerdings ist das Ergebnis fast zu gut, um wahr zu sein. Einen Rückgang der Todesfälle durch Kreislauferkrankungen oder Infektionen könnte man sich noch irgendwie dadurch erklären, dass die Impfungen zu weniger Infektionen und zu milderen Verläufen und somit zu weniger Long Covid und anderen Folgekrankheiten führen. Ein derart starker Effekt, wie er in dieser Studie gefunden worden ist, ist allerdings schwer vorstellbar. Schon gar nicht kann man sich die Abnahme der Unfalltoten erklären. (Ja, COVID-19 kann zu kognitiven Problemen führen, die wiederum das Unfallrisiko erhöhen könnten. Aber wohl kaum in dem in dieser Studie gefundenen Ausmaß.) Hier deutet alles darauf hin, dass ein versteckter, von der Impfung unabhängiger Unterschied zwischen den Geimpften und den Ungeimpften besteht.

In der Methodik der Studie liest man, dass die Autor*innen wirklich sehr viel unternommen haben, um alle möglichen Störfaktoren herauszurechnen. Störfaktoren wie z.B., dass Menschen mit einem gesünderen Lebensstil und einem privilegierteren sozioökonomischen Status sich auch eher impfen lassen. Trotz aller Bemühungen gelang es aber offenbar nicht, alle vorbestehenden Unterschiede der beiden Gruppen zu erfassen. Deshalb wäre ich vorsichtig, die Studie als Beweis für ein um ein Viertel verringertes Sterberisiko zu interpretieren.

Den Autor*innen ist das durchaus selbst bewusst. Sie fassen das Ergebnis ihrer Studie so zusammen (Hervorhebung durch mich):

"In dieser landesweiten Kohortenstudie mit 28 Millionen Personen wurde nach vier Jahren kein erhöhtes Risiko für die Gesamtmortalität bei denjenigen beobachtet, die mit COVID-19-mRNA-Impfstoffen geimpft worden waren. Obwohl die konsistente negative Assoziation selbst nach umfangreicher Anpassung und Kalibrierung darauf hindeutet, dass verbleibende Störfaktoren bestehen bleiben könnten, erscheint ein kausaler Zusammenhang zwischen mRNA-Impfung und überhöhter Langzeitmortalität höchst unwahrscheinlich."

Man könnte meinen, dass es keine weiteren Studien bräuchte, um das Offensichtliche zu belegen: Der Nutzen der Impfungen überwiegt das Risiko bei Weitem. Aber wir leben in einer Zeit, in der Falschinformationen und Verschwörungstheorien tief in Politik und Gesellschaft angekommen sind. Bei der FPÖ wurde Sucharit Bhakdi, einst ein seriöser Wissenschaftler, der aber zu Beginn der Pandemie das Virus verharmloste und in weiterer Folge mit zunehmend abstrusen Argumenten erst die Eindämmungsmaßnahmen, später auch die Impfungen verteufelte (mehr z.B. in diesem Artikel des Standard). Die AfD lud den Finanzwissenschaftler Stefan Homburg, der die Impfungen als „Plörre“ bezeichnet, als Fachmann zu ihren „Corona-Symposien“ und nominierte ihn für die Enquetekommission des deutschen Bundestages, wo er Christian Drosten die Virologie erklären wollte. AfD und FPÖ sind (noch) nicht in der Regierung. Donald Trump und RFK jr. sind es sehr wohl. In den USA wird der Zugang zu den Impfungen Stück für Stück eingeschränkt. Argumentiert wird das mit ihrer angeblichen Gefährlichkeit.

Deshalb brauchen wir Studien wie die vorliegende. Die Bakhdis, Kickls und RFK jr.s dieser Welt werden durch sie nicht überzeugt, aber vielleicht die große Mehrheit der Menschen, die sich durch das Trommelfeuer der Falschinformationen verunsichern ließen.


Lesetipp: Über die Übersterblichkeit in Schweden

Das Folgende passt nicht ganz zum Artikel, aber immerhin zur Berechnung der Übersterblichkeit. Wenn es um die Eindämmungsmaßnahmen der ersten Pandemiezeit geht, wird von Maßnahmenkritikern gerne der „schwedische Weg“ als Beweis gebracht, dass die Maßnahmen unnötig gewesen wären. Unlängst veröffentlichten die von RFK jr. eingesetzten Direktoren der National Institutes of Health einen Artikel, in dem sie neuerlich behaupteten, Schweden wäre am besten durch die Pandemie gekommen, wie die Daten zur Übersterblichkeit zeigten.Bathhacharya

Der Epidemiologe und Mathematiker Adam Kucharski, Autor zahlreicher Publikationen zum Thema antwortete in seinem Blog. Es ist alles viel komplizierter als gedacht und anders als von den NIH-Direktoren behauptet. Ein lesenswerter Text:

Excess mortality or excessive assumptions?
How to make a popular metric tell any story you like