It's not over till it's over.

It's not over till it's over.

Substack-Artikel vom 19.07.2023:

Das gilt auch für COVID-19. Im Abwassermonitoring werden wieder mehr Viren nachgewiesen. In Österreich und anderswo.


Seit 1.7.23 ist COVID-19 in Österreich keine meldepflichtige Erkrankung mehr. Auch im Spital wird nicht mehr gescreent - weder das Personal noch die Patient:innen. Abstriche werden nur mehr bei Verdachtsfällen auf ärztliche Anordnung gemacht. Damit wir uns in keinem kompletten Blindflug befinden, was das Infektionsgeschehen betrifft, bleiben lediglich die Abwassertests.


Bei den Abwassertests werden in Kläranlagen Proben des Abwassers entnommen und auf SARS-CoV-2 getestet. Die Ergebnisse erlauben einen Überblick über das Infektionsgeschehen im Land. Das österreichische Abwassermonitoring umfasst “48 strategisch ausgewählte Kläranlagen Österreichs, die mit ihrem Einzugsgebiet mehr als 58% der österreichischen Bevölkerung abdecken” (Zitat von der Webseite). Im Falle von Wien dürfte die strategische Auswahl recht einfach sein. Durch die Hauptkläranlage in Simmering geht das gesamte Abwasser der Stadt.

Das Dashboard zeigt den niedrigsten Stand seit Beginn der Messungen im Jänner 2022. Aber es zeigt auch - ganz klein und auf sehr niedrigem Level - eine Trendwende in den letzten Tagen.

Die Abwasserdaten für Wien und für ganz Österreich. Links die gesamte Kurve seit Jänner 2022, rechts der vergrößerte seit Ende 2022.Ausschnitt

Das ist per se noch nichts Besorgniserregendes. Aber es passt halt zu den Erfahrungen der letzten drei Jahre. 2020 und 2021 kam es jeweils Mitte Juli zu einem beginnenden Anstieg der Infektionszahlen, der - wir erinnern uns - zunächst von kaum jemandem außer ein paar Wissenschaftler:innen und ein paar Panikmachern wie uns ernst genommen wurde. Bis es sich zu veritablen Herbstwellen auswuchs. 2022 brachte Omikron sowieso alles durcheinander, da erlebten wir ab Juni eine ziemlich heftige Sommerwelle.

Oder handelt es sich jetzt um ein Artefakt? Ein Messfehler? Eine statistische Anomalie?

Möglich. Aber die Vermutung, dass COVID-19 keine reine saisonale Infektionskrankheit ist und wir mit einer Abfolge von (kleineren?) Wellen zu rechnen haben, tauchte bereits vor einigen Wochen auf. Ich habe darüber im Artikel Die neue Normalität: eine andauernde Abfolge von COVID-19-Wellen statt einer saisonalen Infektionskrankheit geschrieben.


Ein Blick auf einige andere Länder lässt ebenfalls vermuten, dass es sich beim Anstieg in den österreichischen Abwasserdaten um mehr als einen statistischen Zufall handelt.

Auch in den USA zeigt sich zuletzt eine Trendwende bei den Abwasserdaten, und zwar in allen vier Großregionen (Link):

CIDRAP, das Center for Infectious Disease Research and Policy der University berichtete bereits vor einer Woche über diese Trendwende.

Und in den Südstaaten beginnen auch die Hospitalisierungen ganz langsam wieder zu steigen. Katelyn Jetelina hat darüber erst gestern in ihrem Blog Your Local Epidemiologist geschrieben.

In UK werden Daten in der ZOE Health Studie erhoben, an der fast 5 Millionen Menschen via App teilnehmen. Auch hier: Die Zahlen sind niedrig, nehmen aber seit kurzem wieder zu:

Und wenn man ganz wo anders hinschaut, zeigt sich noch mehr. In Japan nehmen auch die Hospitalisierungen wieder zu. Und zwar deutlich:

Darüber, woran das liegt, habe ich noch nichts Schlüssiges gefunden. Spekulationen über schwerere Verläufe durch eine neue Virusvariante sind aus meiner Sicht bisher genau das: Spekulationen. Falls wer mehr dazu weiß: gerne unten in die Kommentare schreiben!


Ob wir tatsächlich gerade am Beginn einer neuen Welle stehen und wenn ja, wie hoch diese werden wird, wird die Zukunft weisen. Das Ausrufen des Endes der Pandemie scheint aber trotz aller gegenteiliger Berichte - zuletzt erst vorgestern in der NYTimes - zum wiederholten Mal voreilig zu sein.