Zur COVID-19-Welle gesellen sich jetzt die anderen Viren.

Zur COVID-19-Welle gesellen sich jetzt die anderen Viren.

Substack-Artikel vom 24.10.2023:

:: Die ersten Hochrechnungen der grippalen Infekte verheißen nichts Gutes für 2023/24 ::


Es ist bald vier Jahre her, seit die ersten von uns von einer neuen Infektionskrankheit im fernen China hörten. Vier Jahre, in denen Menschen an dieser Krankheiten starben, anderen immer noch an den Langzeitfolgen leiden, Freundschaften und Familienbande zerbrachen.

Dem Virus ist das alles egal, es denkt und fühlt nicht. Es vermehrt sich einfach. Ein Blick auf das österreichische Abwassermonitoring zeigt, dass die Virenlast von SARS-CoV-2 im Abwasser und also auch in der Bevölkerung weiterhin steigt und steigt. Inzwischen hat die aktuelle Welle bereits die Hälfte der großen Winterwelle Anfang 2023 erreicht.

Dank der Impfungen und auch früherer Infektionen ist unser Immunsystem natürlich viel besser vorbereitet als zu Beginn der Pandemie. Für viele wird sich eine Infektion tatsächlich wie eine Verkühlung anfühlen. Für andere aber eben nicht. Auch wenn es immer wieder behauptet wird: COVID-19 ist keine Verkühlung.

Wessen Immunsystem aufgrund von Alter, Krankheit oder Nebenwirkungen lebensnotwendiger Medikamente geschwächt ist, landet weiterhin im Falle einer Erkrankung an COVID-19 im Krankenhaus. Wie viele das sind, wissen wir im Großteil Europas nicht mehr, weil die Zahl einfach nicht erhoben wird.

Über die potentiellen Langzeitfolgen wurde (auch in diesem Blog) schon so viel geschrieben, dass ich die einzelnen Artikel jetzt gar nicht mehr verlinken möchte.


COVID-19 ist nicht mehr alleine

Aber nicht nur COVID-19 steigt weiter, auch die hochgerechnete Zahl der grippalen Infekte inklusive der echten Grippe verheißt nichts Gutes. Der Grippemeldedienst der Stadt Wien vermeldet für die 42.Kalenderwoche (16.-22.Oktober 2023) 13.950 Neuerkrankungen. Das ist jetzt schon so mehr als der Höchststand in allen Grippesaisonen der letzten Jahre mit Ausnahme der Monsterwelle 2022/23. Hinter den Zahlen verbergen sich alle möglichen Viren, sicherlich bereits wieder RSV, vielleicht auch schon vereinzelte Influenzafälle und vermutlich eine erkleckliche Anzahl an nicht diagnostizierten Fällen von COVID-19.

Schwarz ganz links der Beginn der Saison 2023/24. Im Vergleich dazu die letzten 5 Saisonen.

2020/21 führten Masken und Lockdown knapp nach der absolut desaströsen ersten COVID-Herbstwelle zum fast völligen Erliegen der grippalen Infekte. 2022/23 verschwanden die Masken weitgehend aus der Öffentlichkeit. In den Spitälern konnten wir mit der Flut an Kranken nur deshalb noch irgendwie umgehen, weil wir aufgrund er Jahre zuvor medizinisch und organisatorisch bestens geschult waren. Freitag Vormittag erfahren, dass die Patientinnen und Patienten einer halben Bettenstation verlegt werden müssen, damit eine Influenza- oder COVID-Kohortierung erfolgen kann - das hatten wir gelernt.

Wie das jetzt noch gehen soll, weiß ich nicht. Aufgrund von Personalmangel - in erster Linie bei der ausgelaugten Pflege - sind noch mehr Betten gesperrt als in den letzten Jahren.

Anmerkung am 25.10.23:

Was ich auf den offiziellen Portalen vergeblich gesucht habe, wurde mir inzwischen auf Mastodon übermittelt. Judith Aberle, Virologin an der MedUni Wien hat auf X eine Aufschlüsselung der im Sentinelsystem erhobenen Viren hinter den “grippalen Infekten” gepostet. Im Sentinelsystem schicken möglichst repräsentativ ausgewählte Ärztinnen und Ärzte Abstrichproben an das Virologische Institut. Neben satten 34% SARS-CoV-2 zeigt sich hier, dass - anders als z.B. in den USA - RSV noch nicht wirklich zunimmt. Vor zwei Wochen wurde kein RSV nachgewiesen, lin den Wochen 41 und 42 waren es gerade einmal 0,5%. Allerdings: 0,5% ist bei 208 Proben eine einzige positive Probe. Da ist also eine beträchtliche Unschärfe zu erwarten.


Und 2023/24?

Der Impfschutz gegen COVID-19 nimmt in in der Bevölkerung deutlich ab. Obwohl fast alle der COVID-19-Kranken bei uns im Spital zu einer Risikogruppe gehören, erhielt fast niemand von ihnen nach dem Frühling 2022 eine Boosterimpfung. Über die desaströse Zahl der verimpften Dosen des upgedateten Herbstboosters und die Schwierigkeiten eine Impfung zu bekommen, selbst wenn man es will, habe ich schon vor wenigen Tagen kurz geschrieben.

Bei den Grippeimpfungen schaut wohl kaum besser aus. Österreich war ja schon früher trotz Gratisgrippeimpfungen etc eine Land mit einer sehr niedrigen Impfquote. Jetzt wurden z.B. in Wien die eigentlich für die Grippeimpfungen errichteten, niederschwelligen Impfzentren wieder abgebaut. Wir haben nicht nur nichts aus der Pandemie gelernt, wir haben auch das bereits zuvor gelernte wieder verlernt. Wenigsten wird an einigen Impfstellen der Krankenkasse ÖGK geimpft (Grippe, nicht COVID-19). Infos, wie man in Österreich zur Grippeimpfung kommt, gibt es auf der Webseite des Gesundheitsministeriums.

Auch gegen RSV, nach SARS-CoV-2 und Influenza die Nummer 3 der über die Atemwege übertragenen Viren, das vor allem für Kleinkinder und für ältere Personen gefährlich sein kann, gibt es erstmals eine Impfung. Sie wird vom Nationalen Impfgremien allen über 60 und Schwangeren empfohlen. Allerdings kostet die Impfung 275€, die man aus der eigenen Tasche bezahlen muss. Man kann sich ausmalen, wieviele Leute sich dieses Angebot leisten werden.

Und übrigens: Die FFP2-Masken schützen vor allen dreien. Sie zumindest derzeit und zumindest in gefüllten Innenräumen zu tragen, ist keine schlechte Idee.

Anmerkung am 25.10.23:

Anscheinend ist es auch bei der ÖGK nicht gerade einfach, eine Grippeimpfung zu bekommen, wie mir anhand eines auf Mastodon zugeschickten Screenshots gezeigt wurde.

Mal kann keine Grippe-Impftermine buchen bei der ÖGK...