Kinder haben nach einer COVID-Reinfektion ein doppeltes Risiko für Long Covid

Eine große US-Studie schaute sich an, wie häufig Long Covid bei Kindern und Jugendlichen nach einer zweiten Infektion auftritt.

Kinder haben nach einer COVID-Reinfektion ein doppeltes Risiko für Long Covid
  • Die Diagnose Long Covid wurde doppelt so häufig gestellt.
  • Auch eine Reihe von Folgekrankheiten und -symptomen traten signifikant häufiger auf.
  • Long Covid ist in den USA inzwischen die häufigste chronische Krankheit bei Kindern und Jugendlichen - noch vor Asthma.

Dass wiederholte Infektionen mit SARS-CoV-2 schlecht für uns sind und dass sich mit wiederholten Ansteckungen das kumulative Risiko für Long Covid erhöht, war schon öfters ein Thema in diesem Blog, zuletzt in diesem Artikel im Mai:

Langzeitfolgen von wiederholten Ansteckungen mit SARS-CoV-2
Wiederholte Erkrankungen an COVID-19 führen zu einem höheren Risiko für Long Covid.

Die meisten Studien zu diesem Thema betrafen ältere Menschen mit einem entsprechenden Risikoprofil für Komplikationen und Langzeitfolgen der Erkrankung. Wie das aber bei Kindern und Jugendlichen ausschaut, die aufgrund von Schulen mit vorwiegend ungenügenden Maßnahmen für gesunde Luft und - bei einem großen Teil von ihnen - auch aufgrund ihres durchaus altersadäquaten Sozialverhaltens - besonders gefährdet für wiederholte Infektionen sind, wurde bisher kaum untersucht. Das ändert sich nun mit einer neu im Lancet erschienen, großen Studie.


Long Covid bei jungen Menschen nach Reinfektionen

Während die wenigen bisherigen Studien zum Thema nur eine relativ geringe Zahl an Betroffenen untersuchte und zudem zum überwiegenden Teil auf Online-Fragebögen basierten, wurden für diese Studie Daten aus den Krankengeschichten von über 400.000 Kindern und Jugendlichen bis 21 Jahre aus 40 Institutionen der USA ausgehoben ("Long COVID associated with SARS-CoV-2 reinfection among children and adolescents in the omicron era (RECOVER-EHR): a retrospective cohort study"). Dies geschah im Rahmen der RECOVER-Initiative, die uns schon mehre::re wertvolle Studien gebracht hat.

RECOVER: Researching COVID to Enhance Recovery
The long-term effects of COVID are real. Join the NIH in the search for answers.

Inkludiert wurden 465.717 Kinder mit einer ersten COVID-19-Erkrankung nach dem 1.1.2022 (also bereits in der Omikron-Ära!), die maximal 24 Monate zuvor das jeweilige Gesundheitszentrum besucht hatten. Bei 58.417 trat im Beobachtungszeitraum bis Oktober 2023 eine zweite Infektion auf. Ihre Daten wurden mit denen der restlichen 407.300 Kindern verglichen, bei denen es bei der einen Infektion geblieben war.

Erhoben wurde bei den beiden Gruppen zum einen, ob sie die Diagnose Long Covid (bzw. PASC = post-acute sequelae of COVID-19) erhalten hatten, zum anderen wurde eine Reihe an möglichen Folgesymptomen und -krankheiten abgefragt. Nach der statistischen Datenbereinigung (Alter, Vorerkrankungen etc.) wurden 40.200 Betroffene der Gruppe mit zwei Infektionen mit 123.644 der Gruppe mit einer Infektion verglichen.

Das Ergebnis: Die Kinder und Jugendlichen mit der zweiten Infektion hatten knapp mehr als doppelt so häufig eine Long Covid-Diagnose. Auch fast alle der Folgekrankheiten und -symptome wurden nach der zweiten Infektion signifikant häufiger festgestellt. Von Atemproblemen (30% häufiger) und verschiedene Schmerzsyndrome und Fatigue (jeweils rund 50% häufiger) über Herzkrankheiten und akute Nierenerkrankungen (jeweils knapp doppelt so häufig) bis zur Herzmuskelentzündung = Myokarditis, die satte dreieinhalbmal so häufig auftrat (bei einer allerdings sehr geringen absoluten Zahl an Betroffenen).

Das relative Risiko der Gruppe mit zwei Infektionen im Vergleich zur Gruppe mit einer Infektion. Ein Wert über 1,0 bedeutet eine größere Häufigkeit in der Gruppe mit zwei Infektionen.

Wer sich tiefer in die Daten einarbeiten möchte, findet die absoluten Zahlen in der folgenden Tabelle:

Absolute Zahlen bei 40.200 der Gruppe mit zwei Infektionen bzw. 123.644 der Gruppe mit einer Infektion.

In den verschiedenen Altersgruppen unterschied sich die Häufigkeit der verschiedenen Diagnosen. Zum Beispiel war eine Long Covid-Diagnose bei Jugendlichen häufiger als bei den Vorschulkindern - ein Fakt, den wir aus früheren Studien kennen. Aber der relative Unterschied der beiden Gruppen blieb in allen Altersgruppen ähnlich.


Long COVID is here to stay - auch bei Kindern

Im begleitenden Editorial weist der italienische Kinderarzt und Long Covid-Spezialist Danilo Buonsenso darauf hin, dass Long Covid laut Zahlen aus den USA inzwischen Asthma als die häufigste chronische Krankheit bei Kindern und Jugendlichen abgelöst hat ("Long COVID is here to stay—even in children").

Und:

"Die neuen Erkenntnisse, dass Reinfektionen diese chronische Erkrankung auslösen oder verschlimmern können, lassen darauf schließen, dass die gesellschaftliche Belastung weiter zunehmen wird. Da derzeit keine heilende Therapie verfügbar ist, wird die Zahl der Kinder, die mit einer chronischen und oft schwächenden Krankheit leben, weiter steigen. Kinder mit Long COVID haben oft Symptome, die sie daran hindern, zur Schule zu gehen, Sport zu treiben oder soziale Kontakte zu pflegen – grundlegende Bestandteile der kindlichen Entwicklung. Eine Generation von Kindern, denen diese Meilensteine fehlen, könnte langfristige wirtschaftliche und psychologische Auswirkungen auf die Gesellschaft haben."

Er fordert deshalb zum Ausbau der Versorgungsstrukturen und der Forschung auf.

"Regierungen, Gesundheitssysteme und Förderinstitutionen müssen jetzt handeln, indem sie Long COVID als wichtigen Schwerpunkt in Medizin und Forschung priorisieren, den Zugang zu medizinischer Versorgung ermöglichen und sicherstellen, dass Kinder nicht zurückgelassen werden. Ohne entschlossenes Handeln werden die langfristigen gesellschaftlichen Kosten von Long COVID weiter steigen."

Die Versorgung von Long Covid, insbesondere ihrer schwersten Form ME/CFS ist nirgendwo auf der Welt zufriedenstellend gelöst. Auch nicht in Österreich, auch wenn die Gesundheitsministerin jüngst auf eine Anfrage der Grünen gegenteiliges behauptete - und prompt heftigen Widerspruch sowohl von Seiten der Betroffenen als auch von ärztlichen ME/CFS-Spezialist*innen erntete:

ME/CFS-Patienten sehen Notlage, Politik sichere Versorgung
Das Sozialministerium sieht die Versorgung von Patienten mit postakuten Infektionssyndromen wie Long/Post Covid oder ME/CFS als “flächendeckend gesichert” an. Das geht aus einer Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Abgeordneten Ralph Schallmeiner (Grüne) durch Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) hervor. Schallmeiner sah eine “haltlose Behauptung”. Patientenvertreter bezeichneten die Aussagen als “in keinster Weise” nachvollziehbar - und sehen eine “Notlage”.

Zudem versanden sämtliche Versuche einer Vorbeugung durch weniger Infektionen. Die Bemühungen von NGOs wie der Initiative Gesundes Österreich um gesündere Luft in Klassenzimmern und anderen öffentlichen Räumen gleichen einer Sisyphos-Arbeit, auch wenn es immer wieder kleine Erfolge gibt.

Impfungen für Kinder werden in den meisten Ländern nicht mehr empfohlen und entsprechend nicht mehr kostenerstattet. Und selbst, wo sie - wie in Österreich - noch im Gratisimpfprogramm enthalten sind, sind die Impfraten unterirdisch. Das Framing hat Wirkung gezeigt. Dabei hat sich inzwischen in zahlreichen Studien eine Impfwirksamkeit von immerhin rund 40-50% zur Verhinderung von Long Covid gezeigt. Immerhin.

Wer geimpft ist, hat auch nach mildem COVID-19 ein geringeres Risiko für Long Covid
Die Impfung reduziert das Risiko für Long Covid. Auch nach einem milden Verlauf, auch bei Kindern und Jugendlichen.