Update zum derzeitigen Infektionsgeschehen und zur Wirksamkeit der Impfungen

Update zum derzeitigen Infektionsgeschehen und zur Wirksamkeit der Impfungen

Substack-Artikel vom 02.11.2023:

:: Die Infektionszahlen steigen weiter :: Zwei neue Studien zur Wirksamkeit der Impfungen auch in Zeiten von Omikron ::


Die aktuelle Infektionslage

Erst ein kurzer Blick auf den aktuellen Stand des Infektionsgeschehens. Das österreichische SARS-CoV-2-Abwassermonitoring zeigt einen weiteren, seit Ende Juli fast ungebremsten Anstieg der SARS-CoV-2-Genkopien im Abwasser als indirektes Maß für die Zahl der COVID-19-Erkrankungen.

Die ebenfalls aus den Abwasserproben erhobenen Sequenzierungen der Virusvarianten zeigt in den letzten Wochen kaum mehr Verschiebungen bei den relativen Anteilen:

EG.5.1 “Eris” macht noch immer über 40% aus. Es gehört wie alle in dieser Grafik lila dargestellten Subvarianten zur XBB-Familie, die durch die derzeit angebotene, upgedatete monovalente Impfung gut abgedeckt wird. BA.2.86 “Pirola” ist weiterhin deutlich unter 5% und kommt damit nicht wirklich vom Fleck.

BA.2.86 sorgte im Sommer bei Virologen für eine gewisse Aufregung, weil diese Variante sehr viele Mutationen im Vergleich zu den verbreiteten Varianten und aufweist. Offensichtlich schlägt sich dies nicht in einer verstärkten Immunflucht nieder. Dennoch wird BA.2.86 weiterhin genau beobachtet, den von dieser Variante gibt es schon Weiterentwicklungen wie JN.1, das in vor allem in Frankreich bereits deutlich zunimmt und von den durch die XBB-Impfstoffe und Infektionen durch XBB-Varianten gebildeten Antikörpern nur mehr mäßig erwischt wird. Mehr Informationen dazu finden sich sich im Artikel The Virus Takes a Detour in its Evolutionary Arc im Ground Truths von Eric Topol.

So nebenbei nehmen auch die grippalen Infekte insgesamt deutlich zu. Laut Grippemeldedienst liegen sie deutlich über dem in den letzten Jahren zum selben Zeitpunkt verzeichneten Fallzahlen:

Leider erfahren zumindest auf den offiziellen Portalen nichts darüber, welche Viren hinter diesem Anstieg stehen. Ein Teil macht natürlich SARS-CoV-2 aus, während die Influenza wohl noch in den Startlöchern steht. Aber wie schaut es mit RSV aus, dem dritten der gefährlichen Trias? Das RSV-Netzwerk steht jetzt (Woche 44) noch bei Woche 41.

Wie viele Menschen wegen COVID-19 ins Krankenhaus müssen oder gar versterben, wissen wir nicht, da diese Zahlen ja seit Juli nicht mehr erhoben werden. Bei uns im Spital ist jedenfalls auffallend, dass wir nun wieder mehr COVID-Lungenentzündungen und auch wieder mehr direkte Todesfälle beobachten als in den bisherigen Omikron-Wellen. Aber anders als von Beginn der Pandemie bis inklusive Delta-Welle, als wir mit schwersten Verläufen bei 50-70jährigen, zuvor noch fitten Personen konfrontiert waren, wie wir es noch bei keiner anderen Krankheit auch nur annähernd so häufig gesehen hatten, ist nun ein wesentlicher Unterschied, dass die schwer Betroffenen jetzt tatsächlich großteils schwer vorerkrankte Personen sind, die aber nach der Grundimmunisierung (die 3 Stiche 2021) keine Booster mehr erhalten haben.

Auch vom aktuellen XBB-Impfstoff vulgo Herbstbooster wurden in Österreich laut impfdaten.at bis inkl. 23.10.2023 gerade mal 190.506 Dosen verimpft. Eine nennenswerte Informationskampagne findet man nicht. Niederschwellige Impfangebote wie die Impfzentren gibt es kaum mehr. Wir haben aus der Pandemie nicht nur nichts gelernt, sondern sind sogar noch hinter den Status von vor der Pandemie zurückgefallen.


Impfungen schützen

Dass die Impfungen gegen SARS-CoV-2 ein echter Gamechanger waren und sind, erlebten wir nicht nur im Spital eindrücklich, auch in unzähligen Studien wurde die ausgezeichnete Wirksamkeit bei der Verhinderung von schweren Verläufen inkl. Spitalsaufnahmen, intensivmedizinische Behandlung und Tod gezeigt.

In den letzten Tagen wurde die Evidenz zur Wirksamkeit gegen schwere Verläufe durch zwei neue Studien erweitert:

  • Im Nature-Verlag erschien eine große Beobachtungsstudie aus Chile zur Wirksamkeit der Boosterimpfungen (noch der ursprüngliche mRNA-Impfstoff) gegen Omikron (“Effectiveness of the second COVID-19 booster against Omicron: a large-scale cohort study in Chile”). Fast 4 Millionen Personen, die von Februar bis August 2022 (also zur Zeit der ersten Omikron-Varianten, aber noch vor XBB) ihre 4.Impfung (noch der ursprüngliche mRNA-Impfstoff) erhielten, wurden mit 750.000 Ungeimpften verglichen. Die vierfach geimpften Personen hatten 88,2% weniger Aufnahmen auf eine Intensivstation und 90,5% weniger Sterberisiko. Ob die Grundimmunisierung mit mRNA oder einem anderen Impfstoff (ihr erinnert euch: AstraZeneca) erfolgt war, machte dabei fast nichts aus. Die Impfwirksamkeit nahm über die Zeit etwas ab, blieb aber auch nach 6 Monaten noch sehr hoch.
  • Eine weitere, im Lancet-Verlag erschienene Studie untersuchte die Wirksamkeit der bivalenten B.4/5-Booster vom letzten Herbst (“Effectiveness of BNT162b2 BA.4/5 bivalent mRNA vaccine against a range of COVID-19 outcomes in a large health system in the USA: a test-negative case–control study”). Hier zeigte sich, dass die Personen mit der Grundimmunisierung, aber ohne upgedateten Booster nur mehr einen mäßigen Schutz gegen die die neuen Varianten hatten. Dieser wurde aber durch den Booster wieder deutlich angehoben. Relativ zu den Geimpften ohne diesen Booster um 50% gegen einen kritischen Verlauf und um 39% gegen eine Hospitalisierung.

Korrigierte Wirksamkeit des bivalenten BNT162b2 BA.4/5-Boosters im Vergleich zu Personen, die mit mindestens zwei Dosen des ursprünglichen Wildtyp-mRNA-Impfstoffs geimpft wurden (A), und im Vergleich zu ungeimpften Personen (B), nach Outcome, vom 31. August 2022 bis zum 15. April 2023.


Dass die Impfungen darüber hinaus auch das Risiko von Long Covid und anderen Folgekrankheiten signifikant senkt, war zuletzt mehrmals auch in diesem Blog ein Thema. Zum Beispiel hier:

Neue Metaanalyse: Wie gut schützen Impfungen vor Long Covid?
Substack-Artikel vom 20.10.2023: :: Impfungen schützen gut, aber wo sind die Impfstoffe? :: Vor Kurzem erschien einen neue Metaanalyse darüber, wie wirkungsvoll Long Covid durch die Impfungen verhindert werden kann: The effectiveness of COVID-19 vaccine in the prevention of post-COVID conditions: a systematic literature review and meta-analysis of the latest

und hier:

Die Impfung reduziert das Risiko an LongCovid zu erkranken. Auch bei Kindern.
Substack-Artikel vom 13.10.2023: Verschiedene Kategorien von Long Covid, wie gut die Impfungen vor Long Covid schützen und warum eine neue Studie zum Risiko bei Kindern auch für Erwachsene wichtig ist. Eine vor kurzem als Preprint erschienene Studie zu den SARS-CoV-2-Impfungen bei Kindern zeigt eine deutlich Reduktion des Risikos,

Dass die Impfungen schützen, sollte keine allzu große Neuigkeit sein. Neue Studien zeigen anhand klinischer Ergebnisse zu den Boosterimpfungen, dass die anhand von sogenannten Surrogatparametern (v.a. neutralisierende Antikörper) erhobenen Daten gut auf das echte Leben umsetzen lassen: Die Booster sind ein wirkungsvolles Mittel gegen die nachlassende Immunität und gegen neue Varianten. Zumindest solange dem Virus nichts völlig Neues einfällt.