Über Masken (schon wieder)
Aus Anlass eines großen Reviews: Ein Artikel über Masken und wie gut sie vor COVID-19 schützen.
Die wichtigsten Punkte auf einen Blick
- Ein aktueller, großer Review bringt zahlreiche Belege dafür, dass Masken ein wirkungsvoller Schutz vor respiratorischen Viren wie SARS-CoV-2 sind.
- Das belegen physikalische, virologische, epidemiologische und klinische Studien.
- Außerdem: Ein kurzer Blick auf eine aktuelle Studie, laut der eine höhere CO2-Konzentration zu einer größeren Stabilität und damit auch Infektiosität von SARS-VoV-2 führt. Das ist schlecht bei mangelhaft gelüfteten Räumen und auch bei steigendem CO2 in der Atmosphäre.
Ja. Masken, immer noch. Sie begleiten uns seit 2020 - zumindest diejenigen, die die Pandemie ernst nahmen (und nehmen). Dass sie zu den effektivsten Mitteln zum Schutz vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 gehören, wurde in unzähligen Studien gezeigt. Und trotzdem gibt es - ähnlich wie bei den Impfungen - einflussreiche Gruppen, die das negieren und sogar gegen Masken agieren.
Es gibt eine lange Geschichte der Propaganda gegen Krankheitsübertragungen über Aerosole und folglich gegen den Sinn von Masken zum Schutz vor Infektionen. Darüber habe ich in diesem Blog schon einmal etwas ausführlicher geschrieben.
Selbst die WHO verbreitete in der Anfangszeit der COVID-19-Pandemie noch das Märchen, dass COIVID-19 nicht über die Luft übertragen würde.
Es dauerte einige Zeit, bis die WHO bereit war zuzugeben, das ihr "FACT: #COVID19 is NOT airborne" faktisch falsch war. Inzwischen erkennt sie längst die Übertragung von COVID-19 und anderen Krankheiten über die Luft an. (Irgendwann wird sie sich vielleicht auch von den nur mäßig wirksamen OP-Masken verabschieden.)
Wer den Magen hat, sich die Antworten auf den Tweet durchzulesen, kriegt eine Eindruck, wie aufgeladen das Thema ist und wie hasserfüllt viele Maskengegner agieren. Sie schreiben von zahlreichen Studien, die angeblich beweisen würden, dass Masken nutzlos oder sogar schädlich wären.
Eine der von den Maskengegnern am meisten zitierten Studien zur angeblichen Schädlichkeit von Masken stammt von Harald Walach, einem deutschen Psychologen, der bereits 2012 mit dem Goldenen Brett, dem Preis für den größten pseudowissenschaftlichen Unfug ausgezeichnet wurde. Seine bei JAMA Pediatrics publizierte Studie wurde vom Journal in der rekordverdächtig kurzen Zeit von nicht einmal drei Wochen nach der Veröffentlichung zurückgezogen. Die Begründung in der Notice of Retraction (Hervorhebungen durch mich):
Nach der Veröffentlichung wurden zahlreiche wissenschaftliche Einwände gegen die Studienmethodik vorgebracht, darunter Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit des für die Messung des Kohlendioxidgehalts verwendeten Geräts in diesem Studienumfeld und der Frage, ob die durchgeführten Messungen den Kohlendioxidgehalt der eingeatmeten Luft korrekt wiedergeben, sowie Bedenken hinsichtlich der Stichhaltigkeit der Schlussfolgerungen der Studie. In ihren eingeladenen Antworten auf diese und andere Bedenken legten die Autoren keine ausreichend überzeugenden Beweise vor, um diese Fragen zu klären, wie durch redaktionelle Bewertung und zusätzliche wissenschaftliche Überprüfung festgestellt wurde.
Ein etwas komplizierterer Fall war ein Review der renommierten Cochrane Library ("Physical interventions to interrupt or reduce the spread of respiratory viruses"). Das Ergebnis des Reviews war, dass es keine ausreichenden Beweise für die Wirksamkeit von Masken gebe. Das Problem: Tatsächlich beschrieb das Review nicht die Wirksamkeit von Masken an sich. Die Autoren selbst wiesen darauf hin, dass unklar war, wie viele Personen in den bewerteten Studien die Masken tatsächlich trugen. Karla Soares-Weiser, Chefredakteurin von Cochrane, sah sich schließlich veranlasst, auf die verbreitete Fehlinterpretation der Studie hinzuweisen ("Statement on 'Physical interventions to interrupt or reduce the spread of respiratory viruses' review"):
Viele Kommentatoren haben behauptet, eine kürzlich aktualisierte Cochrane-Studie zeige, dass „Masken nicht funktionieren“, was eine ungenaue und irreführende Interpretation ist. Korrekt wäre es zu sagen, dass in der Studie untersucht wurde, ob Maßnahmen zur Förderung des Tragens von Masken dazu beitragen, die Verbreitung von Atemwegsviren zu verlangsamen, und dass die Ergebnisse nicht schlüssig waren.
Dieser Hinweis wird von den Maskengegnern - ihr habt es sicher erraten - weitgehend ignoriert.
Nun erschien eine umfassende Arbeit einer Gruppe um Trisha Greenhalgh, die so was wie die Doyenne der britischen Allgemeinmedizin ist, über alles, was wir über Masken und respiratorische Infektionen wissen wollen. (Anmerkung: Respiratorische Infektion in dem Sinn, dass SARS-CoV-2 ein über die Atemwege übertragenes Virus ist. Die von ihm ausgelöste Krankheit COVID-19 ist aber eine Erkrankung des ganzen Körpers, insbesondere auch der Blutgefäße und des Nervensystems.)
Masken zum Schutz vor Infektionen - der Review
Der Review ist schon alleine dadurch besonders, wie umfassend das Thema behandelt wird. Was mir besonders gut gefällt: Es ist nicht einfach eine Zusammenfassung der enormen Datenmenge. Stattdessen wird anhand dieser Datenlage ein gut lesbarer, wenn auch sehr langer wissenschaftlicher Text verfasst. Für diejenigen, die es verständlicherweise etwas kürzer mögen, haben Prof.Greenhalgh und zwei weitere Studienautoren eine kurze Zusammenfassung geschrieben:
Um die Wirkung von Masken zu verstehen, muss man die Übertragung via Aerosolen im Vergleich zu den jahrzehntelang propagierten Tröpfchen verstehen. Die Autor*innen erklären, wie die winzigen, beim Atmen entstehenden Partikel eingeatmet werden und so die Erreger in die oberen und auch die unteren Atemwege bis zu den Lungenbläschen gelangen. Weil die winzigen Partikel stundenlang in der Luft schweben, kann das auch passieren, wenn die infizierte Person den Raum schon längst wieder verlassen hat. Eine infizierte Person muss nicht Husten oder Niesen, um jemanden zu infizieren. Die Übertragung erfolgt durch das Atmen, Sprechen, Rufen. In der folgenden Grafik aus einem Science-Artikel von 2021 wird die Übertragung grafisch zusammengefasst:
Die Evidenz zur Wirksamkeit von Masken
Nach der Einleitung führen uns die Autorinnen und Autoren durch hunderte Studien zu Masken und verschiedene respiratorische Infektionen. Sie erklären die mit technischen Experimenten belegte physikalische Wirkungsweise der verschiedenen Maskentypen. Sie beschreiben die Schwierigkeiten und zahlreichen Fallstricke von randomisierten, kontrollierten Studien, die die Ansteckung von Personen mit und ohne Masken vergleichen wollten. Fasst man unkritisch alle kontrollierten Studien zusammen, scheint es zum Beispiel so zu sein, dass die Masken wenig bringen. Eine Falle, in die auch der oben erwähnte Cochrane-Review getappt ist, und die dann wiederum von Maskengegnern gerne ausgenutzt wird. Anders schaut es aus, wenn nur kontrollierte Studien berücksichtigt werden, bei denen auch das Tragen der Masken kontrolliert wurde. Hier traten deutlich weniger Infektionen bei Maskenträgern auf. Zitat:
Die Studien, die keine statistisch signifikanten Effekte gefunden haben, beweisen nur, dass Masken keinen Schutz bieten, wenn sie nicht getragen werden.
Anschließend folgt eine lange Analyse von zahlreichen Beobachtungsstudien in Spitälern, in Schulen, in Großraumbüros, in Bussen, in Flugzeugen etc. Wenn die Lehrenden Masken tragen, stecken sich weniger Schüler an. Tritt in einem Verkehrsmittel ein Cluster auf, sind Masken tragende Passagiere seltener betroffen. Und am überzeugendsten sind Beobachtungen aus der Anfangszeit der Pandemie, als Personal in Gesundheitseinrichtungen sich massenhaft ansteckte, wenn sie ohne Masken arbeiten mussten, während es dort, wo Masken zur Verfügung gestellt werden konnten, viel weniger Ausfälle gab.
Nachteile von Masken
Auch dieses Thema wird ausführlich behandelt. Von Hautirritationen und erhöhten Atemwiderstand über schlechtere Kommunikation für Hörbeeinträchtigte oder auch Personen mit Demenz bis zur Umweltverschmutzung durch die Einmalprodukte. Alles ernstzunehmende Themen. Für schwere gesundheitliche Einschränkungen gibt es aber keine echte Evidenz. Egal wie oft sie von den Maskengegnern behauptet wird. Harald Walachs eingangs schon erwähntes Paper wird im Kapitel "Speculated but unconfirmed harms in anti-mask discourse" ("Vermeintliche, aber unbestätigte Schäden im Anti-Masken-Diskurs") abgehandelt.
Kinder wurden und werden oft als die Hauptleidtragenden von Masken genannt. Ein typisches Beispiel dafür, wie sie von Maßnahmengegnern als Mittel der eigenen Agenda missbraucht werden (siehe auch Über die Rolle von Kindern in der COVID-19-Pandemie in diesem Blog). Dass die ganz Kleinen mit Masken noch nicht umgehen können, liegt auf der Hand. Wie sehr aber auch die etwas größeren Kinder und Jugendlichen unter den Masken leiden würden, war ein großes Thema, wo immer in Schulen eine Maskenpflicht bestand. Aber wurde auch gehört, was die Kinder und Jugendlichen selbst über Masken dachten? In den 2020/2021 durchgeführten Studien war die überwiegende Mehrheit pro Masken, auch wenn sie sie manchmal lästig fanden. Und: Eltern waren oft negativer zu Masken für Kinder eingestellt als die Kinder selbst.
Diese Ergebnisse widersprechen den Aussagen von Personen, die im Namen von Kindern sprechen und behaupten, dass Masken für sie inakzeptabel wären
Weil lange nicht alles ideal ist an den Masken, werden in dem Review auch Vorschläge für Weiterentwicklungen der Masken (z.B. umweltverträglichere Materialien) und auch Empfehlungen für die Umsetzung von Maskenmandaten in zukünftigen Pandemien gebracht.
Abschließend gibt es politische und gesellschaftliche Betrachtungen zur Maskenpolitik. Im abschließenden Absatz heißt es:
Die COVID-19-Pandemie geht in ihr fünftes Jahr, und die große Gefahr, die von ideologisch motivierten Anti-Masken-Narrativen für die öffentliche und globale Gesundheit ausgeht, sollte erkannt und systematisch angegangen werden. Die Anti-Masken-Stimmung nimmt zu, ebenso wie die Anti-Impf-Stimmung, und das verheißt nichts Gutes für die aktuelle und alle künftigen Pandemien. Es gibt zwar keine einfachen Lösungen für das Problem der weit verbreiteten Desinformation, aber eine klare und kohärente Botschaft der öffentlichen Gesundheitsbehörden zu Masken und anderen wichtigen Themen würde erheblich helfen.
CO2 und die Infektiosität von SARS-CoV-2
Masken gehören zu den wirkungsvollsten Mitteln, sich vor COVID-19 zu schützen. Ein weiteres wichtiges Mittel ist saubere Luft. Die IGÖ informiert über fast alles, was es dazu zu wissen gibt:
Die CO2-Konzentration in der Luft ist ein hervorragender Parameter dafür, wie verbraucht die Luft in einem Raum ist, hat aber auch direkte Auswirkungen auf uns. Hohe Werte beeinträchtigen unsere Konzentrationsfähigkeit, machen uns müde und triggern Kopfschmerzen. Und sie sind ein indirekter Faktor für die Zahl der Viren in der Luft. Ihr wisst schon: die Aerosole. Eine höhere CO2-Konzentration deutet im Falle einer infizierten Person im Raum auf eine höhere Viruskonzentration.
Das ist aber nicht alles, wie in einer unlängst in einer im Nature-Verlag publizierten Studie gezeigt wurde.
SARS-CoV-2 in Aerosolpartikeln ist umso stabiler, je höher das Kohlendioxid in der Luft ist. Der Effekt ist stärker als die Luftfeuchtigkeit. Schon bei einer relativ moderaten CO2-Konzentration von 800ppm ist der Effekt signifikant.
Das sollte nicht nur unsere Bemühungen für eine bessere Luft in Innenräumen bestärken. 800ppm ist auch die Konzentration an Kohlendioxid die im letzten Viertel dieses Jahrhunderts in der Atmosphäre erwartet wird - den fossilen Brennstufen sei dank. Ein weiterer Faktor, wie die menschgemachte Klimakrise die Gefahr von Infektionen und Pandemien erhöht.